Ich bin solo-selbständig – na und?
Was man so über Solo-Selbständige liest …
Gerade hab ich den Begriff „solo-selbständig“ gegoogelt. Was ich da alles zu lesen bekomme …
Solo-Selbständige
- tragen ein erhöhtes unternehmerisches Risiko
- befinden sich häufig in der Startphase ihres Unternehmens
- sind Einzelkämpfer
- nehmen prekäre Verhältnisse in Kauf
- sind keine Unternehmer
In den Augen anderer scheinen sie bemitleidenswerte Geschöpfe zu sein. Sind sie das wirklich? Ich habe mich gefragt, warum ich seit 13 Jahren selbständig bin und komme zu ganz anderen Ergebnissen.
Warum ich mich selbständig gemacht habe
Nach dem Studium hab ich in drei verschiedenen Werbeagenturen gearbeitet. Erst als Angestellte, dann als Freelancerin. „Macht eure ersten Erfahrungen auf Kosten anderer.“, sagte unser Prof damals. Das war ein guter Rat. Ich musste mich nicht um Aufträge bemühen und lernte, meine Skills an den Deadlines und Anforderungen der realen Arbeitswelt zu messen.
Nach der Geburt unserer ersten Tochter war mir ziemlich schnell klar: sofort wieder zurück in den Beruf zu gehen, ist keine Option. Das Arbeitspensum in einer Agentur war nicht mit meiner Vorstellung vom Muttersein vereinbar.
Nach knapp vier Jahren und zwei weiteren Kindern merkte ich: Wenn du deinen Kindern wirklich gerecht sein willst, kannst du nicht noch nebenher arbeiten. Ich hab großen Respekt vor den Frauen, die das schaffen. Mir als Einzelkind war Familienmanagement nicht gerade in die Wiege gelegt worden …
Aus Kindern wurden Teens. So langsam fühlte ich mich bereit für den Neustart ins Berufsleben. Aber diesmal nicht als Angestellte, sondern als Solo-Selbständige. Das hatte ganz einfache Gründe: Hier auf dem Land gab es keine Stellen für Designerinnen. Da hätte ich ich schon nach Düsseldorf oder Köln fahren müssen. Außerdem wollte ich meine Zeit frei einteilen können. Alltag mit drei Jugendlichen läuft schließlich selten nach Plan.
Die ersten Aufträge kamen aus dem Bekanntenkreis. Über eine Crowdsourcing-Plattform konnte ich zusätzlich Einkommen generieren. Also doch prekäre Verhältnisse? In den ersten Jahren meiner Selbständigkeit hätte ich tatsächlich keine Familie ernähren können.
Was Selbständigkeit für mich heute bedeutet
Fast forward to today: Mittlerweile habe ich etliche Stammkunden und die meisten Aufträge kommen über die Sozialen Medien oder Netzwerke, in denen ich Mitglied bin. In meinem letzen Blogbeitrag habe ich mehr darüber erzählt. Seit zwei Jahren schreibe ich mir nicht mehr Werbung und Design auf die Fahne, sondern das, was ich am besten kann: Branding und Designkonzepte. Ich muss nicht mehr verzweifelt jede Anfrage annehmen, um über die Runden zu kommen. Ich ziehe mit meiner neuen Positionierung viel mehr Kunden und Kundinnen an, die wirklich zu mir passen.
Nicht nur inhaltlich habe ich mich weiterentwickelt. Ich setze meine Preise selbstbewusster fest und spreche mit meinen Kunden offen darüber. Die einzelnen Schritte vom ersten Kontakt, über das Onboarding bis hin zur Projektabwicklung sind klarer definiert.
Am meisten schätze ich aber, dass ich 1:1 mit meinen Kunden arbeiten kann – und das von Anfang an. Ich bin nicht erst gefragt, wenn ein festgelegtes Designkonzept „nur noch“ umgesetzt werden muss. Ich höre mir die Probleme meiner Kundinnen und Kunden an und kann sie schon vor Beginn der Designphase beraten. Im gemeinsamen Gespräch ergeben sich oft ganz neue Ansätze und Lösungen, an die beide Seiten vorher nicht gedacht haben. Die glücklichen Reaktionen auf das fertige Design sind zusätzliche Motivation.
Klar, wechselndes Einkommen und steigende Kosten sind eine Herausforderung. Ich bekomme mit, wie manche Soloselbständige das Handtuch schmeißen. Andere kämpfen ums Überleben. Die allermeisten in meinem Umfeld bestätigen mir aber, was ich selber auch denke: Zurück ins Angestelltendasein? Niemals.
Warum ich solo-selbständig bleiben möchte
Und in Zukunft? Werde ich höhere Umsetze anstreben und Mitarbeiter einstellen? Nee. Ich definiere mich nicht über mein Business. Ja, meine Arbeit macht mir große Freude, aber Familie und Gemeinde haben für mich einen höheren Stellenwert. Wenn für die Menschen, die mir wichtig sind, keine Zeit mehr bleibt, dann läuft aus meiner Sicht etwas falsch. Bei mir stehen nicht Wachstum und Wohlstand an erster Stelle, sondern Ausgeglichenheit und Zufriedenheit. Ich möchte die Anfragen, die ich bekomme, auch morgen noch bewältigen können.
Selbständig zu sein, ist sicher nicht für jeden etwas. Wenn du aber bereit bist, ein gewisses Maß an Risiko auf dich zu nehmen für ein Leben der Selbstbestimmung und Verwirklichung deiner Träume, kann ich dir nur sagen: Wage es!
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Mein Beitrag ist Teil von Sascha Theobalds WebParade „Ich bin solo-selbständig!“. Unter dem Hashtag #WirSindSolo gibt es viele interessante Einblicke und ganz unterschiedliche Perspektiven.
Wir Selbständigen passen eben in keine Schublade.